Umfang der Ermittlung beim notariellen Nachlassverzeichnis
Ein häufiger Streitpunkt im Erbrecht ist die Aufstellung des Nachlassvermögens, damit ein Pflichtteilsberechtigter die Höhe seines Pflichtteils berechnen kann. Das Gesetz gibt ihn hierzu die Möglichkeit, die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnis zu verlangen, selbst wenn der Erbe bereits ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis erstellt hat. Hintergrund dessen ist, dass der Notar eine Prüfungs-und Ermittlungspflicht hat. Bestünde diese nicht, wäre das notarielle Nachlassverzeichnis natürlich witzlos. Übernimmt der Notar lediglich die Aussagen des Erben ohne nachzufragen oder seine Angaben auf Plausibilität zu prüfen, so ist das Nachlassverzeichnis wertlos.
Doch was bedeutet dies im Einzelfall? Das Oberlandesgericht Bamberg hat in einem neueren Beschluss zu dieser Frage Stellung genommen. Zunächst stellt es klar, dass der Notar weder zum Detektiv werden soll, noch von ihm die Fähigkeiten eines Hellsehers verlangt werden. Dies bedeutet dass er keinerlei Verpflichtung dahingehend hat, ohne bestimmte Anhaltspunkte in allen nur denkbaren Richtungen zu ermitteln. Es gibt keine konkrete Anweisung, wie sich der Notar im Einzelfall zu verhalten hat. Als Richtschnur dient aber, ob greifbare Zweifel an den Angaben des Erben oder nahe liegende Nachforschungen sich aus der Sicht des Gläubigers aufdrängen würden. Das Argument, dass sich ein zeitintensives Prüfungs-bzw. Ermittlungsverfahren abzeichne, sei keine akzeptable Grenze.
Was muss der Notar also tun? Zunächst hatte den Erben anzuhalten, seine Mitwirkungspflicht zu erfüllen und ihm vollständige Auskünfte zu erteilen sowie die zur Überprüfung benötigten Urkunden und Belege lückenlos vorzulegen. Kann der Erbe bestimmte Belege nicht vorlegen (zum Beispiel Kontoauszüge) sollte Notar ihn anhalten, seine Auskunftsansprüche wiederum gegen die Bank durchzusetzen. Liegen diese Unterlagen vor, so hat der Notar an einem zweiten Schritt diese Angaben auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Ergeben sich daraus Zweifel, so der Notar den Erben damit zu konfrontieren und ergänzende Angaben einzufordern. Kann der Erbe dazu nichts beitragen, so muss der Notar dokumentieren, aus welchen Gründen sich der Erbe darauf beruft, weshalb er keine weiteren Auskünfte erteilen kann. Insbesondere bei lebzeitigen Vermögensübertragung, die sich aus den vorgelegten Kontoauszügen ergeben, muss der Notar nachfragen.
In dem entschiedenen Fall des OLG Bamberg war das Nachlassverzeichnis insofern evident unvollständig, da im Titel des Urteils bestimmte Position aufgelistet wurden, zu denen das Nachlassverzeichnis keinerlei Angaben enthielt.
Was ist die Folge dessen?
Ist das Nachlassverzeichnis unvollständig, so kann das Vollstreckungsgericht gegen den Erben ein Zwangsgeld festsetzen. Dies kann auch wiederholt geschehen, solange bis der Erbe die Fehler beseitigt. Leistet der Erbe die Zahlungen nicht, so kann auch ersatzweise Zwangshaft angeordnet werden. Ist Erbe allerdings eine Erbengemeinschaft, so kommt die Anordnung von Zwangshaft nicht ohne weiteres in Betracht, da der Pflichtteilsberechtigte ja ein Wahlrecht hat, wen von der Erbengemeinschaft er auf Zahlung in Anspruch nimmt. Hintergrund ist, dass die Zahlung des Zwangsgeldes auch bei Gesamtschuldnern zwar von jedem Schuldner, aber insgesamt nur einmal verlangt werden kann. Hat der Pflichtteilsberechtigte sein Wahlrecht einmal ausgeübt, so kann die Zwangshaft auch noch nachträglich angeordnet werden.
Für alle Fragen rund um das Thema Erbrecht und Pflichtteilsrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Notar jederzeit gerne zur Verfügung.
Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 16. Juni 2016, 4 W 42/16